Iv. §. 3. Jsrael's Ankunft zumfi Verderben für die Cananitcr.
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Ihnen gegenüber fteht die wilde, kriegerische Ast arte und der Alles
verderbende und verschlingende Moloch. Diesem Verderber, kein
Moloch, wurden die schrecklichen Feueropfer gebracht, die Kinder,
welche in den Armen des glühenden Götzenbildes verbrannt wurden.
Von tiefem gräßlichen cananitischen Götzendienst sagt die Schrift Ps.
106, 37 f.: sie dieneten ihren Götzen und opferten ihre Söhne und
Töchter den Teufeln, und vergossen unschuldiges Blut, das Blut ihrer
Söhne und Töchter, die fte^opferten den Götzen Canaan's, daß das
Land von Blutschulden beflecket ward. Vor diesem Greuelwesen war-
net der Herr die Israeliten 5 Mos. 18, 9—12; „Du sollst nicht thun
den Greuel dieser Völker, daß nicht unter dir gefunden werde der sei-
nen Sohn oder Tochter durch's Feuer gehen lasset, oder ein Weissager,
oder ein Tagewähler oder der auf Vogelgeschrei achtet, oder ein Zau-
berer oder Beschwörer oder Wahrsager oder Zeichendeuter oder der die
Todten frage. Denn um solcher Greuel willen vertreibt sie der Herr
dein Gott vor dir her." Wohin die Phönizier kommen und sich nieder-
lassen, sei es zu Lande oder zur See, dahin verpflanzen sie diesen
schrecklichen Götzendienst. Nicht ohne Schauder berichten eine große
Anzahl heidnischer Schriftsteller von dem grauenhaften Verbrennen der
Kinder auf den phönizischen Colonieen in Afrika, Spanien u. s. w.
Der in Tyrus am meisten verehrte Gott hieß Melkarth (beiden
Griechen Herakles) und war eine Zusammenfassung des Baal und
Moloch-, wie solche bei den Asiaten häufiger vorkommt. Er stellt die
Sonne dar in ihrer wohlthätigen und lebenerweckenden, aber auch in
ihrer versengenden und zerstörenden Kraft. Ihm gegenüber steht die
Astarte, die finstere, strenge, schweigende Göttin, die durch Ver-
stümmelung und Entmannung verehrt wurde, die Nacht- und Mond-
göttin. Aber der Melkarth verfolgt sie mit seiner glühenden Leiden-
schaft nach Westen hin bis an das Ende der Erde. Da endlich ergiebt sie
sich ihm und nun wird aus der finstern Ast arte die lockende Asch er a,
die Geburtsgöttin, die ganz besonders in Sidon und auf der von Si-
doniern besetzten Insel Cypern verehrt wurde. Diese Asch er a (von
Luther gewöhnlich „Hain" übersetzt) ist recht eigentlich die Göttin der
Wollust. In ihren Tempeln wurden die ekelhaften Orgien gefeiert, da
Weiber und Jungfrauen (aus Frömmigkeit!) ihre Keuschheit opferten
und durch wollüstige Fleischesfeier sich dem Dienst dieser Hurengöttin
weihetcn. Das Alte Testament ist voll von Warnungen an die Israeli-
ten, sich vor der Nachahmung solcher Greuel zu hüten, und voll trauriger
Beispiele, daß sie es nicht gethan (Rieht. 2, 13. 3, 7. 6, 25. 10, 6.
1 Sam. 7, 3. 12, 10 u. s. w.).
§. 3. Jsrael's Ankunft zum Verderben für die
Cananiter.
Nach der langen Läuterungszeit in der Wüste kam das Volk
Israel von Osten her an die Grenzen Canaan's, ungefähr da, wo
der Jordan sich in's todte Meer ergießt. Erst diesseit des Jordan
sollte ihr Nachewerk an den Cananitern beginnen, denn erst da be-
v. Rvhden, Leitfaden. 3
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Extrahierte Personennamen: Luther
Extrahierte Ortsnamen: Afrika Spanien Tyrus Sidon Cypern Israel
Iii. §. 4. Unglaube und sittliches Verderben der Aegypter.
25
§. 4. Unglaube und sittliches Verderben der Aegypter.
Haben wir bisher den Glanz und die Größe Aegyptens uns
vorgestellt, deren Nichtigkeit ihnen Gott der Herr durch den Eintritt
Joseph's vor Augen gerückt hat, so müssen wir jetzt die Kehrseite
in's Auge fassen, das sittliche Verderben, durch welches die Aegypter
das Strafgericht Gottes herauöforderten. Wie tief die Sittlichkeit
unter den Nachkommen Ham's auch in Aegypten gesunken sein muß
namentlich in Bezug auf die geschlechtlichen Verhältnisse, tritt uns
gleich bei der ersten Begegnung des Gottesmannes Abraham mit
den Bewohnern Aegyptens entgegen. Er kommt als Gast in's Land,
und statt durch die Heiligkeit des Gastrechts gesichert zu sein, muß
er den Tod fürchten. Warum? Weil die Aegypter — welche ent-
entsetzliche Geilheit!— ihn um seiner schönen Frau willen nicht leben
lassen würden. Und diese ungescheute Befriedigung der wollüstigen
Begierden geht bis an den Hof des Pharao hinauf. Die Sara
wird als ein schönes Weib vor ihm genannt: gleich läßt er ohne
Rücksichten und Umstande, als müßte es nur so sein, die Sara an
seinen Hof holen. Und machte nicht Joseph dieselbe Erfahrung an
den Frauen? Kann man sich eine größere Schamlosigkeit denken, als
die frechen Zumuthungen, welche die vornehme Frau des Po tip Hera
an ihren fremden Sklaven stellte? Aus anderweitigen schriftlichen
Zeugnissen und steinernen Bildwerken empfangen wir eine große Zahl
von Beweisen, daß diese Schamlosigkeit der Weiber und Geilheit der
Männer alle Schichten der Bevölkerung durchdrang. — Woher hät-
ten sie auch einen sittlichen Halt und Zügelung ihrer Begierden neh-
men sollen? Den wahrhaftigen Gott, den Schöpfer Himmels und
der Erden, hatten sie, wie wir schon sahen, lange verloren. Ihr
Gott Ra und Ptha oder Kneph und Ammon war nur noch eine
farblose Erinnerung an das höchste Wesen, das über aller Materie
steht. Dagegen hatten sie ihren Gottheiten einen fremden, niedrigen,
aber bei allen Hamiten wiederkehrenden Charakter aufgedrückt. Sie
hatten ihre Götter zur Versinnbildlichung der erzeugenden und ver-
nichtenden Naturkräfte benutzt. Die Sonne ist das Leben schaffende,
befruchtende Gestirn, daruin werden die obersten Gottheiten meist mit
der Sonne zusammengestellt. Die Erde ist die empfangende und
Alles gebärende Mutter, darum werden die weiblichen Gottheiten der
Erde nachgebildet. Der glühende Wüstenwind ist der schreckliche Ver-
derber, darum wird er als die Gottheit des Verderbens dargestellt.
So entsteht allmälig eine zusammenhängende Göttergeschichte von
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118
X. §. 3. Sitte und Religion der Griechen.
Theilen des Landes zurück, bemächtigen sich namentlich der Küsten und
Inseln und erheben sich schnell zu dem herrschenden und tonangebenden
Volk. Sie selbst aber sind wiederum in eine Anzahl einzelner Stämme
getheilt, unter denen besonders die Dorer oder-Berggriechen und die
Jon er, Seegriechen, hervortreten. Neben ihnen stehen noch die älteren
Achäer; und alle übrigen Stämme werden bisweilen unter den Namen
Qt e o i i er zusammengefaßt. Es sind diejenigen Glieder des alten pelas-
gischen Geschlechts, welchevon der neu einströmenden hellenischen Cultur mit
erfaßt und gehoben sind. Diese Stämme bekriegen sich unter einander, ver-
drängen sich gegenseitig aus einein Theil des Landes in den andern und kom-
men mit ihrer unruhigen Beweglichkeit selten zu fest abgegrenztem, unange-
fochtenem Besitz. Mitten unter sie hinein treten auch noch andere Elemente,
besonders phönizische Colonieen, die neue Anregungen und Bildungsele-
mcnte, neue Gottheiten und Sitten mitbringen, aber auch das unruhige
Drängen auf dem kleinen Raum des griechischen Bodens noch vermehren.
Daher werden schon von frühester Zeit an alle Kräfte angespannt, der
Unternehmungsgeist wird entwickelt, kühne Thaten geschehen, einzelne
gewaltige Helden, Heroen, Göttersöhne, wie die Sage sie bezeichnet,
treten auf, säubern das Land von feindlichen Menschen und Thieren,
regen zu kühnen Unternehmungen an. Ihr Thatenruhm begeistert zu
Heldengesängen, und die herrlichsten Dichtungen erwachsen aus dem
bunten Gedränge der überströmenden Kräfte des begabten Geschlechts.
§. 3. Sitte und Religion der Griechen.
Bei ihrer großen Neigung zur Vereinzelung standen die griechi-
schen Stämme in großer Gefahr, gänzlich auseinanderzufallen und
das Bewußtsein der Gemeinschaft ganz zu verlieren. Wirklich son-
derten sich auch solche Colonieen, die den Boden des eigentlichen Grie-
chenlands verlassen und theils auf dem Festland und den Inselnthraciens
und Klein-Asien, theils im südlichen Italien und Sicilien sich nieder-
gelassen hatten, allmälig ganz von ihren Volksgenossen ab und ver-
loren das Gefühl der Zusammengehörigkeit mit ihnen. Aber es gab
doch noch starke Bande, welche die einzelnen Stämme als eine Gesammt-
heit zusammenhielten. Das waren außer der vorher schon erwähnten
gemeinsamen Sprache besonders folgende: 1) Die allen gemeinschaftliche
Erinnerung und Ueberlieferung von der alten Heldenzeit. Die Sagen
und Lieder von Herakles und Kekrops und Kadmuö, von dem
liederreichen Amphion, vom Dan aus mit seinen 50 Töchtern,
vom Pelops und den Atriden, vom Perseus und Peleus, vom
Deukalion und Aktäon, die wundersamen Mähren von dem Ar-
gonautenzug, da Jason sich das goldene Vließ aus Kolchis holte,
von dem Krieg der Sieben gegen Theben und von ihren Epigonen,
vor allen Dingen aber Homer's unsterbliche Gesänge vom trojani-
schen Krieg und von den Irrfahrtendes heimkehrenden Odysseus —
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174 Xiii. §. 4. Neu hinzukvmmende Bestandtheile und deren Einordnung rc.
verliehen, und nur durch gottlose Verletzung alles Heiligen gebrochen
werden konnten.
Das Verdienst, die verschiedenen Bestandtheile des römischen Volks
durch den festen Kitt einer sorgfältig abgemessenen gemeinsamen Cul-
tusordnung stärker als bisher mit einander verbunden und in gewissem
Maße zu einem geordneten Ganzen gemacht zu haben, wird dem Nach-
folger desromulus zugeschrieben, dem Sabiner Numa Pompilius,
der eine vierzigjährige weise und friedliche Regierung geführt haben
soll. Er hatte vor allen Dingen sich selbst mit einem geheimnißvollen
Heiligenschein zu umgeben gewußt, indem er mit einer Gottheit in en-
gem und vertraulichem Verkehr zu stehen vorgab. So fanden die von
ihm geschriebenen Ritualbücher und die von ihm zur allgemeinen Ver-
ehrung aufgestellten Gottheiten, sammt den von ihm eingesetzten Prie-
stercollegien willige Aufnahme, und das Beispiel seiner eignen gewissen-
haften und gottesfürchtigen Haltung wirkte vielleicht noch mehr als
seine Anordnungen. Er stellte aber neben den Gottheiten, welche jede
Tribus, jede Curie, jede Gens für sich allein verehrten, insonderheit
drei allgemeine Hauptgottheiten auf, den Jupiter, den Mars und
Quirinus, deren Verehrung ein besonderes Priestercollegium in
Obacht nahm. Neben diesen stand noch als der Gott alles Anfangs
der doppelköpfige Janus, dessen Tempel oder Thorhalle geöffnet blieb,
so lange der Krieg dauerte. Weil aber dies eroberungssüchtige Volk
nicht ohne Krieg leben konnte, so stand er beständig offen, drei ganz
kurze Zeiträume ausgenommen, von denen der erste in die Regierung
des Numa Pompilius selber fiel. Ein nicht minder wichtiger Ver-
einigungspunkt für alle römischen Stämme war der Dienst der Vesta,
der Göttin des heimischen Heerdfeuers und Hüterin der Reichskleino-
dien. Für sie ward das Collegium der vestalischen Priesterinnen ge-
stiftet, der heiligen Jungfrauen, die bei schwerer Strafe das heilige
Feuer beständig brennend erhalten mußten. Am wichtigsten aber war
das Collegimn der Augurn, der Zeichendeuter, welche aus dem Vo-
gelflug, aus den Himmelserscheinungen, aus den Eingeweiden der
Opferthiere, aus der Freßgier der Hühner und tausend kleinen Dingen
den Willen der Götter erkannten und bestimmten. Diese Männer hiel-
ten den Staat wie den Einzelnen mit tausend ehernen Banden des
Aberglaubens gefesselt. Was immer gethan werden mochte, in Krieg
und Frieden, zu Hause oder draußen, das mußte erst durch gute Vorbe-
deutungen als den Göttern wohlgefällig erkannt sein. Ein verkehrter
Tritt, ein Straucheln, ein plötzlicher Ruf, eine unwillkommene Ant-
wort, ein begegnendes Thier, kurz eine Zufälligkeit, ein Nichts, das
als unglückweissagendes Omen galt, setzte die eiserne Römerseele in
Schrecken und hielt sie zurück von den wichtigsten und folgenreichsten
Unternehmungen. Das war das Gängelband, an welchem der Ein-
zelne und das ganze Volk sich leiten ließ, und kluge Leiter wußten es
trefflich zum Zusammenhalt des Ganzen zu gebrauchen.
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V. §. 1. Israel und die Philister.
43
drei übrigen aber nahe dem Meere. Doch ist nirgend eine Spur zu
finden, daß die Philister eben so wie die Phönizier ein seefahrendes,
handeltreibendes Volk gewesen seien. Sie trieben in ihrem fruchtba-
ren Küstenstrich Ackerbau, Weinbau, Olivencultur, waren ein gewerb-
sames und streitbares Volk und traten mit ihrem fest zusammenhal-
tenden Fünffürstenbunde den Israeliten als eine schwer zu bezwingende
Kriegsmacht entgegen. Mit den Phöniziern scheinen sie in freund-
schaftlicher Verbindung gestanden zu haben, und ihr Götzendienst war
dem phönizischen (allgemein hamitischen) ziemlich gleich. Baal (mit
dem Beinamen Sebub zu Ekron) und die Aschera oder Derketo
genießen auch unter den Philistern die höchste Verehrung. Ja der
Ascheratempel (die Griechen sagen Aphroditentempel) zu Ascalon soll
der allerälteste Tempel dieser Göttin gewesen sein. Von hier aus soll
sich der wollüstige Opferdienst über Cypern und die griechischen In-
seln verbreitet haben. Dagon, der Meeresgott, scheint dem verder-
berischen Typ hon der Aegypter und Moloch der Cananiter ent-
sprochen zu haben; doch ist später wohl der Cultus des Baal mit
dem des Dagon zusammengeworfen. An Wahrsagern und Zau-
berern, Orakeln und Götzenbildern, Tempeln und Opfern, Gottver-
gessenheit und Trachten nach irdischen Dingen standen die Philister
den Phöniziern ziemlich gleich. Sie mußten ihnen zwar den Vorrang
lassen an Ruhm und Glanz und Macht und Herrlichkeit; aber sie
übertrafen sie dagegen an kriegerischem Muth und Tapferkeit.
Von Mizraim, heißt es 1 Mos. 10, 14, stammten die Caslu-
chim und Caphtorim, von den Casluchim aber sind gekommen die
Philister. Nach anderen biblischen Stellen, 5 Mos. 2, 23. Jer. 47, 4.
Ainos 9, 7, will es dagegen scheinen, als seien die Bewohner des Phi-
listerlandes ganz oder theilweise hergekommen aus Caphttzor, d. h.
aus der Insel Kreta. Cs müssen also entweder die Casluchim und
Caphtorim beide ursprünglich in Aegypten gesessen haben, oder, was
wahrscheinlicher ist, zu den ursprünglich aus Aegypten herübergewan-
derten Casluchim und Philistim sind später die Kreter hinzugekommen.
Deshalb werden auch Philisti (oder Plethi) und Kreti bald neben
einander genannt, bald als zusammengehörig mit einander verschmolzen.
Manche haben behaupten wollen, daß unter den Hyksos, welche von
2100 bis 1600 das Land Aegypten heimsuchten und beherrschten,
auch die Philister gewesen und eine bedeutende Rolle gespielt hätten.
Doch ruht das auf sehr unsicheren Angaben.
Der schmale Küstenstreif, auf welchem sie sich im Lande Canaan
niedergelassen hatten, war in ältester Zelt von dem Volk der Aviter
bewohnt, welche mit zu dem Riesengeschlecht der Enakskiilder ge-
hört zu haben scheinen. Sie unterjochten es, ohne es auszurot-
ten. Noch bis zu David's Zeit finden wir Riesenfamilien unter
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26 Ih. §. 4. Unglaube und sittliches Verderben der Aegypter.
dem lebenweckenden Sonnengott Osiris, der vom bösen Typhon
erschlagen wird (die unfruchtbare Zeit des Jahrs). Isis, die Erd-
göttin, sucht ihn trauernd, denn sie ist nun ihrer Fruchtbarkeit beraubt.
Aber ihr Sohn Horos, die wiedererwachende Naturkraft, wächst
heran und überwindet den Verderber. Und auch Osiris ist eigent-
lich nicht todt, sondern herrscht in der Unterwelt, und sendet von da
aus neues Leben empor. Das waren die Gottheiten, welche die
Aegypter in Holz und Stein abbildeten und verehrten. Aber nicht
bloß in Holz und Stein, auch in den Leibern lebendiger Thiere
glaubten sie diese Gottheiten vor Augen zu haben. Ja, so ties sank
dies weiseste Volk des Alterthums in die Narrheit hinunter, daß es
Stiere, Katzen, Krokodile, Schlangen, und was sonst noch Vierfüßiges
oder Gefiedertes oder Kriechendes zu nennen ist, als Götter verehrte *).
Wie konnte solche Religion das Herz veredeln, die Sitten bessern,
den Leidenschaften des alten Menschen Schranken setzen? Ja, die
Aegypter hatten Todtengerichte; sie glaubten an einen guten und an
einen Übeln Zustand nach dem Tode und an eine Seelenwanderung.
Sie hielten Gericht und sprachen Urtheil über jeden Gestorbenen,
ob er werth sei, einbalsamirt zu werden und in der Todtenstadt zu
wohnen. Aber wie hätte solch hölzernes Rechtsprechen nach dem
Tode Sünde verhindern, wie hätten die sündigen Todtenrichter selber
die Sünde als Sünde erkennen, ihre Wurzeln ausdecken, ihre Wir-
kungen beurtheilen können?
In der Behandlung des Volkes Israel kommt ein ganzes
Nest sündlicher Gesinnungen und Handlungen bei den Aegyptern zu
Tage. Welch ein Undank gegen Jacob's Nachkommen nach Jo-
seph's Tode! Welche schonungslose Härte in der Behandlung des
zum Sklavendienst verurtheilten Volkes! Noch sieht man sie aus
den Denkmälern unter den Peitschen ihrer ägyptischen Treiber seufzen.
Welch erbarmungslose Grausamkeit in dem Befehl, alle Knaben zu
ersäufen! Jedermann entsetzt sich über den Kindermord zu Bethle-
hem; aber ist nicht dieser Kindermord unendlich scheußlicher, anhal-
tender, umfassender? Und doch war hier kein finsterer Tyrann Hero-
deö, sondern einer der gepriesenften und begabtesten Fürsten, der
schon erwähnte Ramses Ii. der Große, dem man keine plötzlichen
*) Der alte Kirchenvater Clemens von Alcrandrien fügt, nachdem
er die Pracht ägyptischer Tempel beschrieben, hinzu: Das innerste Hei-
ligthum ist mit goldgcsticktcni Zeug verhüllt. Nimmt aber der Priester
die Umhüllung weg, so sieht man eine Katze oder Krokodil oder Schlange,
die sich auf Purpurdecken wälzt.
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Extrahierte Personennamen: Ramses Clemens_von_Alcrandrien
120
X. §. 3. Sitte und Religion der Griechen.
sammt allen anderen schönen Künsten, weiter die einzelnen Gegenstände
der Schöpfung, das Meer und die Ströme, die Berge und die Bäume,
ja der Tod und die Hölle selbst gestalteten stch in ihrer übersprudelnden
Phantaste in schöne Gottheiten um, deren Kreis natürlich niemals ab-
geschlossen ist, sondern immer neuen Götterheroen, vergötterten Men-
schen und verkörperten Begriffen den Zutritt offen läßt. Statt der
alten pelasgischen Naturgottheiten bildeten ste stch ihpe Götter zu sitt-
lichen Gestalten aus. Der Lichtgott Apollo ward ein Gott der sittli-
chen Reinheit, Kunst und Unmuts der alte Himmelsgott ward zum
olympischen Zeus, dem hochgebietenden Schirmherr des ewigen Rechts,
die alte Gewittergöttin ward zur Pallas Athene, dem Ideal jungfräu-
licher Reinheit und maßhaltender Thatkraft. Die Wollustgöttin der
Phönizier, deren Cultus die Hellenen schon auf griechischem Boden vor-
fanden, ward zur Aphrodite, zur Göttin der Liebe und Schönheit und
weiblichen Anmuth, die finstere Nachtgöttin Astarte ward zur Artemis,
zur ersten Göttin strenger Jungfräulichkeit. So gewannen alle die
alten Göttervorstellungen Gestalt und Leben. Ein oberster Götterkreis
thronte nach der allmälig sich festsetzenden Vorstellungsweise im ewigen
Genüsse aller Schönheit und Lieblichkeit sinnlichen Genusses auf dem
Berg Olympos, der in das Himmelsgewölbe hineinragte. Der Götter-
vater Zeus stand an der Spitze, neben ihm seine Gattin, die Hera, dann
seine zahlreichen Kinder, endlich seine Geschwister Hestia und Poseidon
und Pluto. Die beiden letzteren als Beherrscher des Meeres und der
Unterwelt nehmen aber keinen Antheil an den olympischen Freuden,
sondern haben in ihren Reichen einen besondern Hofstaat und zahlreiche
Heere untergeordneter Gottheiten zu ihrem Dienst. Die Erde ist ebenfalls
von ungezählten Schaaren niederer Gottheiten und Halbgötter bevölkert.
Da wimmeln die Berge und Wälder von Oreaden und Dryaden, da
hat jedes Flüßchen, jeder Ouell seine Nymphe, da halten die Faunen
und Satyrn ihre ausgelassenen Tänze, und jedes Haus und jeder Heerd
steht unter dem Schutz seiner besondern Gottheit. Zu Ehren dieser
Götter sah man aller Orten geweihte Stätten, Bilder, Altäre und
Tempel; da wurden Gebete verrichtet, Weihgeschenke gebracht, Opfer
geschlachtet; es wurden Feste gefeiert mit feierlichen Umzügen, Gesängen
und Tänzen. Der Wille der Götter wurde erfragt aus dem Fluge
der Vögel, aus den Eingeweiden der Ovferthiere, und die Stimme
der heiligen Orakel insonderheit zu Delphi und Dodona machte in dun-
keln Sprüchen die verschleierte Zukunft kund.
Da nun das Laster stets unschön ist, so mußte jede hervortretende
Lasterhaftigkeit von dieser Religion der Schönheit ausgeschlossen sein.
Man muß dabei aber nicht an Laster in unserm Sinne denken. Denn
unter Sünde verstanden die Griechen etwas ganz Anderes als wir. Nicht
eine sittliche Schuld war ihnen die Sünde, sondern ein Verstoß gegen
die geheiligten Ordnungen des Staates oder der Sitte, und eine Ver-
letzung der schönen Lebensformen, unter welchen Ehre und Ruhm vor
den Menschen obenan steht. Tiefere Fragen der Sittlichkeit und Reli-
giosität scheinen stch später in die Reste des alten pelasgischen Cultus
zurückgezogen zu haben, in die sogenannten Mysterien, die auö Festen
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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268 Xvii. §. 2. Herrlicher Beruf und Natur des Germanenvolks.
und überwunden, und sollte ein solcher Kampf selbst Freiheit, Ge-
sundheit und Leben kosten. Denn das ist der Ruhm des edlen Ger-
manen, daß sein persönlicher Wille in dem, was er für recht und
gut erkannt hat, durch nichts, weder durch Schmerzen noch durch
Schmach und Tod überwunden werden kann. Ein solches Volk hatte
sich der Herr herangezogen durch die Wunderwege seiner geheimniß-
vollen Gnadenführung, auf daß es, was es jetzt in heidnischer Na-
turkraft zu erringen begonnen, dereinst als geisterfülltes Gottesvolk in
der Kraft des neuen Lebens mit Gott herrlich und siegreich vollenden
möchte.
Bei einem solchen ganz anders gearteten Heidenvolk bewegen na-
türlich auch die religiösen Anschauungen sich in ganz anderen Kreisen,
als bei den sämmtlichen heidnischen Kulturvölkern des Alterthums.
Bei den Germanen finden wir nicht die starren Formen und unsittli-
lichen Opfer und Gebräuche des orientalischen Naturdienstes, auch nicht
die feinausgezierten kunstsinnigen Dichtungen von einer in menschlicher
Schönheit prunkenden Götterwelt, bei der an Stelle alles sittlichen
Ernstes und der strengen Forderungen der Pflicht lediglich das Gebot
des Schönheitssinnes, des Ebenmaßes, des sinnlich wohlthuenden Ein-
klangs getreten ist, wie bei den Griechen — sondern wir finden bei
ihnen eine solche Ausbildung und Umformung der alten arischen Licht-
religion, wie sie dem ungebrochenen, aber unter der Zucht Gottes und
des Gewissens stehenden Heldensinn der Germanen angemessen ist, Alles
wild, kolossal, phantastisch, abenteuerlich, märchenhaft, aber durchzogen
von den Klängen einer tiefen göttlichen Wahrheit und voll Vorahnun-
gen noch bevorstehender höherer Offenbarungen. Wie sie selber im
unablässigen Kamps begriffen sind, so ruht auch nimmermehr der Kampf
unter den oberen geistigen Gewalten. Da erscheint uns das ganze
finstere Dämonengeschlecht der Dürfen oder Jötun, und ihnen gegen-
über das Heer der Lichtgestalten, der Äsen, an ihrer Spitze der rastlos
kämpfende und siegende Heldengeist Odin (Wuotan), der mit seinen
Brüdern den finstern Jötunriesen Vrnir erschlägt und aus dessen
Gliedern, Fleisch, Blut, Knochen, Zähnen, Hirn und Haaren die ganze
sichtbare Welt bereitet; der die Heldenseelen unter dem Menschenge-
schlecht mit seiner übermenschlichen Kraft erfüllt und endlich zu sich
ruft. In seinem Heere kämpft sein Sohn Thor oder Donar mit
seinem Hammer (Blitzstrahl) gegen die wilden Dämonen des kalten
Winters, des Frostes, des ewigen Eises, des starren Gesteins, des wü-
sten Schuttes, der unfruchtbaren Felsen u. s. w., und neben ihm ist
Heimth aller geschäftig mit seinem Höfudschwert und Giallarhorn, um
in die von den Dürfen gestörte Welt wieder Ordnung, Ebenmaß und
Harmonie zurückzubringen. Aber einem der Dürfen, dem finstern
Loki, ist es gelungen, sich mitten in die Götterversammlung der Äsen
hineinzustehlen und als Vorbote des endlich auch über sie hereinbre-
chenden Verderbens einen Todesschatten über die heldenmüthige Sie-
gesfreudigkeit der Äsen zu werfen. Denn auch für die Äsen und nicht
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T22: [Gott Zeus Sohn Tempel Göttin König Held Mensch Opfer Erde], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee], T120: [Gott Göttin Zeus Tempel Sohn Gottheit Priester Erde Mensch Opfer]]
Xvii. §.3. Bedürfniß kriegerischen Vordringens bei den Germanen rc. 269
minder für die dritte Götterreihe, die V anen, die den Germanen be-
deutend ferner stehenden, von ihnen eher als Feinde und Versucher
betrachteten Gottheiten des Genusses, des Reichthums, des friedlichen
Gedeihens, wird ein Ende kommen, eine „Götterdämmerung". Dann
wird Loki's Geschlecht den Odin und sein Heer tobten und verschlin-
gen, dann wird die Sonne verlöschen und die Erde versinken; Flam-
men und Rauch werden zum Himmel aufschlagen. Darnach aber wird
eine neue Erde hervorgehen und die Welt wird sich wandeln. Geläu-
tert werden die Äsen und die ihnen ungehörigen Helden in der Men-
schenwelt aus dem Verderben wieder hervorgehen und die neue reine
Erde bewohnen, wo ewiger Friede und ewiger Sonnenglanz herrscht.
Dann wird der höchste Gott, der noch über dem Odin steht, selber
erscheinen und sein Reich regieren. Die Gottlosen aber werden mit
den Dürfen verstoßen sein in den Schlangenpfuhl und unablässig zer-
rissen werden von wildem Gethier, ohne doch sterben zu können.
8. 3. Bedürfniß kriegerischen Vordringens bei den Ger-
manen. Mischung mit den Römern an den Grenzen.
Ein so geartetes Heldenvolk konnte, das ist leicht einzusehen,
nicht leben ohne Kampf, Gefahr, Krieg und Abenteuer. Nur der
Waffenfähige hatte Stimme in der Volksversammlung und Antheil
am Gemeindeacker; nur kräftige Kinder wurden aufgezogen; dagegen
ließen Alte, Sieche, Schwache sich lieber von ihren Angehörigen töd-
ten, alö daß sie ein Leben ohne Waffenthaten ertragen hätten. Auf
dem Schlachtfelde zu fallen, galt als die höchste Ehre und führte zu
den Walhallafreuden des Wuotan. Selbst der Knecht, wenn es ihm
nicht glückte, im Kampf an der Seite seines Herrn zu fallen, ließ sich
gern über dessen Leiche tobten und mit ihr verbrennen, um nur nicht
in das öde Reich des finstern Hel (Hölle) verstoßen zu werden. Wie
hätten solche Männer in ruhigem Friedensgenusse ausdauern können?
Eine jede Gemeinde mit ihren freien Landsassen sammt ihren leibeig-
nen Sklaven und halbst eien Hörigen (aus Resten der unterworfenen
Stämme oder heruntergekommenen Freien bestehend), mit ihrem Vor-
steher (Fürst, Herzog) an der Spitze, war durch ihre inneren Ein-
richtungen gezwungen, bei größerer Vermehrung ihrer Zahl, bei stär-
kerm Anwuchs der nachkommenden Generation, für die Ueberzahl ein
neues Feld, neuen Ackerbesitz sich zu gewinnen, und wie sollte das
anders geschehen als durch Kampf? Eben so die alten adligen Ge-
schlechter, welche vermöge ihrer höhern Abkunft (von den Göttern)
eine bevorrechtete Stellung vor den freien Eigenthümern hatten,
konnten diese Stellung inmitten einer ruhigen friedlichen Zeit nicht
geltend machen, am wenigsten ihre jüngeren, nicht zur Erbschaft des
Landbesitzes berufenen Söhne. Was blieb ihnen anders übrig, als
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T22: [Gott Zeus Sohn Tempel Göttin König Held Mensch Opfer Erde]]
TM Hauptwörter (200): [T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T120: [Gott Göttin Zeus Tempel Sohn Gottheit Priester Erde Mensch Opfer]]